Worte finden


Gather ye rosebuds while ye may,

Old time is still a flying:

And this same flower that smiles today,

Tomorrow will be dying.

-Robert Herrick

Hi, ich bin's wieder.

Wie war meine erste Reaktion, als ich herausfand, dass ich für das UWC in China angenommen worden war? Ich freute mich. Und zwar so sehr, wie ich mich lange nicht mehr über irgendetwas gefreut hatte. Ich merkte, wie enttäuscht ich tatsächlich gewesen wäre, wäre ich nicht genommen worden. Da ich gar nicht wusste, wohin mit meiner Energie, aber immer noch in der Schule war, um einem Jungen Nachhilfe zu geben und es auf keinen Fall noch länger aushalten konnte, diese Nachricht für mich zu behalten, rannte ich zur Straßenbahn, verfluchte sie dafür, an jeder Haltestelle anhalten zu müssen und spurtete weiter nach Hause. Zusammen mit meiner Mutter brach ich in einen Sturm aus Jubel aus, der auch ein wenig von Tränen begleitet wurde. Gemeinsam suchten wir Bilder von dem College im Internet und wurden auch schnell fündig. Es war einfach zu KRASS.          Wirklich, anders kann man es nicht beschreiben. Ich versuchte mir vergeblich vorzustellen, dass ich in einigen Monaten auf diesem Campus umherlaufen würde, doch es ging nicht. Es konnte nicht sein. Womit hatte ich diese einzigartige Chance verdient? Ich kann nicht beschreiben, was ich fühlte und immer noch fühle. Ich denke es dauert noch eine Weile, bis ich Worte dafür finden werde. Und weil ich nicht sagen kann was ich fühlte, kann ich wenigstens versuchen, zu erklären, wie ich mich fühlte. So als hätte jemand ein Feuerwerk in meiner Brust angezündet, das irgendwie gar nicht mehr erlischen wollte und mich selbst in den verrücktesten Momenten immer wieder zum Lächeln brachte. Ein Junge hat mir kürzlich erzählt, dass der Himmel, wenn wir sämtliche Sterne des Universums sehen könnten, hell erleuchtet wäre. Und ich denke in diesem Augenblick war er so hell, wie nie zuvor. Und ich war so dankbar. Und danke auch hier nochmal Allen, die das erst möglich gemacht haben. Ich meine, wie soll man sich nicht total überwältigt von dem Fakt fühlen, für zwei Jahre an ein UWC zu gehen und dann auch noch an das in China? An ein College, mit so vielen Möglichkeiten, dass es zu lange dauern würde, sie alle aufzuschreiben. Swimmingpool und Tanzstudio sind nur zwei Dinge, die man auf dem Campus finden kann. Natürlich wunderte ich mich ein bisschen, warum die Auswahlkommission mich nach China schickte. (Ach übrigens, meine Eltern waren zum Anfang der Bewerbung nicht so angetan von der Idee, mich nach China oder noch weiter in den Osten gehen zu lassen. Mittlerweile denken sie da anders drüber ;)). Doch wisst ihr was? Ich fand und finde es großartig. Wann bekomme ich nochmal die Chance, so tief in eine andere Kultur einzutauchen und ein Land zu sehen, welches ich bisher nur aus Büchern kannte. Nun gut, ich kannte es auch aus einer Serie namens "Briefe an Felix"   (dem Plüschhasen, mit dem roten Koffer :) ), doch das war es dann auch schon. Ich bin neugierig und wirklich gespannt darauf, was mich dort alles erwartet. Wie ihr vielleicht schon an der Zeitform gemerkt habt, haben wir die Gegenwart eingeholt. Es sind noch einige Monate bis zu meinem ersten Schultag in Changshu und die Zeit mit meinen Freunden erscheint mir auf einmal eigenartig kostbar. Letzte Woche, nachdem die Verträge unterschrieben worden waren und ich mir meines Stipendiums sicher sein konnte, habe ich es auch in der Schule öffentlich gemacht. Am liebsten hätte ich die unterschiedlichen Reaktionen per Video oder Foto eingefangen, denn sie waren wirklich unbezahlbar.

Hier mal eine Kostprobe :

(Zwei Freundinnen und ich:)

"Hey, ähm also ich muss mal mit euch reden." (Der Satz, bei dem sich ALLE unwohl fühlen.)

  "Okay... Worum geht's denn?"

"Um mich..." (beste Antwort)

  "Gehst du weg?" (sie lacht und glaubt, sie hätte einen Witz gemacht)  (PS: Ich bemerke den Witz nicht, wie immer)

"Ja."

  "Was? ... Wohin?"

(Ich erkläre ihnen alles von Anfang an und ende mit den Worten:)

"... und ich wurde angenommen und gehe nach den Sommerferien auf das College in China." 

(SCHWEIGEN)

  "Was?"

 

So oder so ähnlich haben die Meisten reagiert. Doch bei Vielen habe ich auch das Gefühl, dass sie sich ehrlich für mich freuen und das hatte ich nicht erwartet. Einige waren von der Idee sogar genauso begeistert wie ich und wurden zu Internet-Junkies, die das weite trostlose Feld der medialen Welt nach Informationen über China oder UWC abgrasen. Und dafür bin ich sehr dankbar, da es ein gutes Gefühl ist, meine Gedanken mit jemandem teilen zu können. 

Viele fragten mich immer wieder, ob ich Angst hätte. Vor der Ungewissheit. Vor dem langen Getrennt sein von meiner Familie und von meinen Freunden. Nein, das habe ich nicht. Und dem ist nicht so, weil ich besonders mutig bin, sondern weil ich mich mit all meinem Vertrauen auf UWC stütze. Ich habe mir solche Mühe gegeben, während des Bewerbungsprozesses ganz ich selbst zu sein, dass ich mir denke: Wenn sie mich genommen haben, dann wird es dafür einen Grund geben und dann wirst du das schaffen. Vielleicht ist das naiv, doch ich glaube, hätte ich jetzt schon Angst und könnte die Nächte nicht mehr ruhig schlafen, dann würde es auch nicht das Richtige für mich sein. Ich weiß, dass ich das Alles hier vermissen werde, klar. Doch für mich kommt auch so viel Neues dazu, dass ich eigentlich nur gewinnen kann. Und das macht mich glücklich. 

 

Liebe Grüße 

Lena