Das Vorbereitungswochenende


Courage is resistance to fear, mastery of fear, not absence of fear.

-Mark Twain

 

Hallo, da bin ich wieder.

 

Es hat eine Weile gedauert, doch nun sind so viele Dinge passiert, dass ich wieder Stoff habe, über den es sich schreiben lässt. Fangen wir von vorne an.

 

Letzte Woche war ich von Donnerstag bis Sonntag beim Vorbereitungswochenende für die kommenden zwei Jahre am UWC. Eingeladen waren alle, die vorhaben, an ein UWC zu gehen (0/1st-Years), die bereits an einem UWC sind (2nd-Years) und diejenigen, welche bereits ihren Abschluss haben und dabei sind, ihren eigenen Weg zu gehen.                                   Daneben (aber genauso wichtig) gibt es noch die Menschen aus dem UWC-Network und viele freiwillige Helfer, die das Wochenende geplant und vorbereitet haben. Und wie zu erwarten, war es einfach nur fantastisch. Und verwirrend. Nun ja, zumindest zum Teil. ;)

 

Das Wochenende fand auf Burg Lohra statt, einer kleinen Burg in Thüringen. Nachdem ich also am Donnerstagmorgen losgefahren war, kam ich am frühen Nachmittag auf einem winzigen Bahnhof mitten im nirgendwo an. Im Zug hatte ich schon einige UWCler getroffen und freute mich auf die kommenden Tage. Es ist merkwürdig, jedoch auch irgendwie witzig, dass man einander einfach erkannte, obwohl man sich zuvor noch nie gesehen hatte.

 

Nachdem das Gepäck in dem viel zu kleinen Kofferraum eines einzigen Autos verstaut worden war, wanderten wir den restlichen Weg zur Burg hoch und schlugen uns unseren Pfad durch das vom vorherigen Sturm gerüttelte Gebüsch.            Dabei konnten wir schon mal ein paar neue Leute kennenlernen und vor allem Bewerber vom jeweiligen Auswahlwochenende wiedersehen. Nach der Wanderung und einem kleinen Kennenlernspiel auf der Wiese vor den zwei Burghäusern, in denen wir in den kommenden Tagen schlafen würden, gab es Kaffee & Kuchen und wir wurden in Homegroups eingeteilt, um uns erst mal etwas besser kennenzulernen. Ich lernte meinen 2nd-Year kennen, welchen ich bisher nur über Skype kannte. Er wird mir während meines ersten Jahres am College Gesellschaft hilfreich zur Seite stehen :) und sah den Jungen wieder, der mich überhaupt erst auf die Idee gebracht hatte, mich zu bewerben. (Ich kann es immer noch nicht fassen, wie sehr sich mein Leben innerhalb eines Jahres geändert hat!)

 

So ca. um 20 Uhr gab es Abendessen und wir wechselten von der Küche in den Kornspeicher (warme Socken sind sehr stark empfohlen ;)), wo wir uns zum Speed-Dating zusammensetzten. Dort konnten wir Fragen stellen, die wir sonst nicht stellen würden und bekamen ehrliche Antworten darauf. Generell konnten wir immer alle Fragen stellen, die uns in den Kopf schossen und mussten nie befürchten, einen genervten Blick als Antwort zu bekommen. Die 2nd-Yeas wissen ja auch wie es sich anfühlt, in der Position eines O/1st-Years zu sein.

 

Die Nächte beim Vorbereitungswochenende waren lang und mit Gesprächen über alles Mögliche gefüllt. Alles nach dem Motto: Schlafen wird ja eh überbewertet.

 

Nach einem mehr oder weniger langen Schlaf trafen sich alle zum Frühstück wieder. Manche waren schon eher aufgestanden, um die Tische vorzubereiten oder das verbliebene Geschirr vom Vortag abzutrocknen. Für den Freitag und Samstag stand Folgendes auf dem Plan:

 

Ø  Wanderung im Stillen

Ø  Treffen im Jahrgang

Ø  IB am College

Ø  First Years‘ Advice

Ø  Open Space (verschiedene Workshops zB. zum Thema Datenschutz)

Ø  Briefe an sich selbst

Ø  Community and Privileg

Ø  UWC und Wir

Ø  Blinde Wanderung

Ø  Lagerfeuer

 

Viele der eben genannten Punkte waren darauf ausgelegt, über das Bevorstehende zu reflektieren und sich des eigenen Standpunktes bewusst zu werden. Mir persönlich hat das sehr geholfen, mir über mich selbst und meine Ziele klarer zu werden und ich denke, es ging Mehreren so. Ich bin mit so vielen Fragen in dieses Wochenende gekommen, einige davon über das Leben am College, andere über meine späteren Ziele. Ich kann nicht sagen, dass meine Unklarheiten im Bezug auf Letzteres restlos verschwunden sind, doch durch die Vielfalt an Menschen und deren unterschiedlichen Meinungen und Geschichten, habe ich meine Ziele mehr hinterfragt und bin nun sicherer in dem, was ich eigentlich will. Vielleicht habt ihr schon mal eine ähnliche Erfahrung gemacht? Wenn ihr etwas unbedingt erreichen wolltet (zum Beispiel einen guten Zeugnisschnitt), aber nicht genau wusstet warum? Wieso muss ich so und so viele Punkte im IB bekommen?                    Warum will ich unbedingt an die oder die Universität gehen? Warum will ich überhaupt studieren? Was möchte ich wirklich tun und das mein ganzes Leben lang? Reicht es mir, jeden Morgen aufzustehen und dasselbe zu machen? Mit solchen Fragen beschäftigte ich mich intensiv während dieser Tage und darüber bin ich sehr froh.

 

Jeder an diesem Wochenende wurde durch verschiedene Übungen angeregt, sich zu öffnen und seine Sorgen und Ängste mit Anderen zu teilen. Denn jeder hat sie und es ist völlig normal, sich unsicher zu sein. Irgendwie kann es da beruhigend sein, wenn andere die selben Sorgen haben. Alles worüber in Kleingruppen oder auch so geredet wurde, blieb in diesem Raum. In diesem Safe Space. Aus diesem Grund musste niemand befürchten, seine Geschichte würde weitererzählt werden, sodass sie schließlich alle kannten. Ich sehe einige von euch die Stirn runzeln.  Kann das wirklich funktionieren?                     Ich meine, ist es nicht jedem schon mal passiert, dass man etwas erzählt hatte, was nicht für andere Ohren bestimmt war und am Ende wussten es trotzdem Alle? Ich weiß nicht mal genau, wie ich das jetzt erklären soll, ohne dass ihr den Eindruck habt, ich hätte mich einer Sekte verschworen ;), doch es ist die Wahrheit.

 

Ich habe an diesem VWE rund 50 neue Menschen kennengelernt und kannte diese praktisch gar nicht. Wieso sollte ich ihnen Dinge anvertrauen, die mir persönlich wichtig sind? An einem Beispiel lässt sich das besser erklären:                                 Bei der Übung Community and Privileg sollten wir (15 Leute) uns in die Mitte eines Kreises stellen. Der Kreis wurde gebildet durch weiße, beschriftete Blätter, die auf dem Boden lagen. Auf denen standen Wörter, wie: sozioökonomischer Hintergrund, Sexualität, Geschlecht, Nationalität, Ethnie, Glaube/Religion, Fähigkeiten, Familie, ...). Nun wurden von den leitenden Faciliators Fragen vorgelesen, zB: Welcher Teil eurer Identität ist euch derzeit am un-/wichtigsten? Leise hat jeder Einzelne für sich überlegt und dort hingesetzt. Dann wurde in den jeweiligen Kleingruppen darüber diskutiert, ehe die verschiedenen Gedanken in der großen Gruppe zusammengetragen wurden. Für mich sind das richtige UWC-Momente. In diesen zwei Stunden habe ich so viele schöne und traurige aber vor allen Dingen persönliche Geschichten gehört, dass mein Kopf sich anfühlte, wie durch Wolken verhangen (aber gute Wolken, Wattewolken :)) Und ich kann euch sagen, dass nach der letzten Runde eine Gruppenumarmung notwendig war, um die emotionale Spannung wieder aufzulösen. ;)

 

Es gibt noch so Vieles worüber ich schreiben könnte, doch ich möchte mich auf eine weitere Sache beschränken:                 Die blinde Wanderung.  Ich weiß nicht, ob sie wirklich so hieß, doch ich finde, der Name hört sich gut an. Dabei wurden alle Anwesenden in Paare aufgeteilt, möglichst so, dass man seinen Partner noch nicht gut kannte. Es war bereits etwas später am Abend, doch die Sommersonne spendete noch etwas Licht. Einer der beiden verband nun dem Anderen mit einem Tuch die Augen und führte ihn zu einem bestimmten Punkt, dann wurde gewechselt. Das Ganze dauerte eine gute Stunde und war eine wirklich schöne Erfahrung für mich. Denn man muss zwangsläufig vertrauen, aber auch auf den Andren aufpassen (sein eigener Linksdrall kann einen schnell mal vom Weg abbringen ;)). Die Gespräche, die während dieser Wanderung geführt wurden, habe ich noch nicht vergessen und ich glaube, dass werde ich auch nicht so schnell.

 

So, nun habe ich ja wieder eine ganze Menge erzählt und ich hoffe, ihr könnt euch jetzt ein wenig besser vorstellen, wie das Wochenende ablief. Sicher war es anstrengend, doch auf die beste Art und Weise. Die langen Nächte waren geprägt von Lagerfeuern (Tränen, falls man auf der Seite saß, wo der Rauch hinzog), gegrillten Marshmallows, Gesprächen, Spielen, Musik und Gesang, sodass man glatt vergessen konnte, dass man eigentlich hatte schlafen wollen.

 

Dinge, die ich sonst noch gelernt habe oder schon wusste, jedoch als wichtig  sind hier noch einmal kurz zusammengefasst:

 

-        sorge dafür, dass du am College genug Schlaf bekommst

-        packe nicht zu viele Bücher ein (das wird schwer werden)

-        halte dich an die Regeln des jeweiligen Colleges und Landes

-        nimm Ohropax und eine Schlafbrille mit

-        mache dich selbst nicht zu sehr verrückt (auch am College) ! Mental Health!

-        lege dir die Deadlines am College 4 Tage früher als Puffer

-        stelle dich darauf ein, dass das IB schwerer ist als das ABI und du mehr selbstständig arbeiten musst

-        sei du selbst und pass auf dich auf

 

 

Ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche und schöne Ferien (wer gerade Sommerferien hat)...

 

Liebe Grüße,                                                                                                                                                                                                               Lena